Schambeck, Mirjam: Biblische Facetten : 20 Schlüsseltexte für Schule und Gemeinde. Ostfildern 2017. 287 Seiten. ISBN: 978-3-7867-4016-2.
Das bibeldidaktische Werk nimmt sowohl die biblische Textwelt als auch die Welt der Leserinnen und Leser in den Blick, verwickelt sie miteinander ins Gespräch und lässt so die existenzerschließende Bedeutung der historischen Texte aufleuchten. Nach grundsätzlichen Fragen zu Kontexten biblischen Lernens (1. Kapitel) erläutert Mirjam Schambeck die bibeltheologische Didaktik, die den konzeptuellen Rahmen bildet für die konkreten Anwendungen auf biblische Schlüsseltexte.
Für Religionslehrerinnen und Religionslehrer entlastend ist, was als Ziel der Arbeit mit biblischen Texten im Religionsunterricht genannt wird: „Biblisches Lernen erreicht […] nicht erst dort sein Ziel, wo Menschen die Worte der Bibel als Wort Gottes lesen, das auch an sie selbst gerichtet ist und von ihnen für ihr Leben in ‚Gebrauch genommen‘ wird. Biblisches Lernen – zumindest im Religionsunterricht – ist auch schon dort gelungen, wo Schüler/-innen um biblische Erzählungen, Deutungen und vom Wort Gottes geprägte Lebensentscheidungen wissen, sie verstehen und beurteilen können, um so eine eigene, begründete Position im Bezug auf den Gehalt und die Gestalt biblischer Aussagen zu gewinnen.“ (S. 28)
Die Begegnung zwischen Text- und Leserwelt spielt in der bibeltheologischen Didaktik eine entscheidende Rolle: „Es geht darum, nicht nur die syntaktische und semantische Dimension des Textverstehens zu erhellen (exegetisches Anliegen), nicht nur Text- und Leserwelt zur Geltung zu bringen und damit dem Rezeptionsvorgang Genüge zu tun (literaturwissenschaftliches Anliegen). Ziel ist es, Menschen zu befähigen, sich über biblische Texte zur Religion zu positionieren, und zwar so, dass sie in ihren eigenen Lebensfragen, Deutungen und Lebensstilen freier, tiefer und selbstbestimmter werden (bibeldidaktisches Anliegen).“ (S. 60) Die Auswahl der biblischen Texte folgt diesen Kriterien und darüber hinaus – wer könnte das verübeln – persönlichen Vorlieben (vgl. S. 62).
„20 Schlüsseltexte für Schule und Gemeinde“ – so der Untertitel – erarbeitet Mirjam Schambeck in den biblischen Facetten. Die zehn Texte aus dem Alten Testament stehen unter der Überschrift „Von zwielichtigen Gestalten, ehrlichen Typen und Gottes ungewöhnlichen Wegen“ (3. Kapitel). Die neutestamentlichen Texte überschreibt sie mit „Von Krisen, Wundern und einem ungeahnten Anfang“ (4. Kapitel). Die biblischen Lernarrangements sind gut durchdacht und vielfältig. Für den Religionsunterricht lassen sich viele wertvolle Anregungen entnehmen.
Der Vorschlag, wie zu Gen 1 ein lebensweltlicher Einstieg möglich sein könnte, motiviert dazu, ihn sofort in die Praxis umzusetzen: Die Teilnehmenden sollen – mit Smartphones ausgerüstet – je „drei Szenen festhalten, die für das eigene Verständnis von Welt und Wirklichkeit charakteristisch sind“ (S. 66). Wie damit gearbeitet werden soll, führt zu einem vertieften Verständnis des Verhältnisses von Mensch und Welt.
Zu Gen 22, der Bindung Isaaks, trägt Mirjam Schambeck Deutungen in den drei monotheistischen Weltreligionen zusammen und schlägt vor, die Provokation des Textes dadurch erfahrbar zu machen, dass die Teilnehmenden wie in einem antiken Chor „ihre Fragen, ihre Wut, ihre Zweifel und Anklagen“ (S. 96) in den Textvortrag hinein schreien.
Zum Jakobskampf in Gen 32 werden Umrisszeichnungen empfohlen, in die Lebens- und Glaubenskämpfe eingetragen werden können (S. 111). Das kreative Schreiben zu Versen aus Psalm 88 (S. 156f.) ist ebenfalls eine Methode, die sich in den schulischen Religionsunterricht übertragen lässt.
Für Lk 2 verweist die Autorin auf das Fotoprojekt I.N.R.I von Bettina Rheims und Serge Bramly (S. 173–176). So werden die bleibende Aktualität der biblischen Texte und auch die Notwendigkeit, sie mit der je aktuellen Gegenwart zu konfrontieren, spürbar.
Zur Hochzeit zu Kana (Joh 2) empfiehlt Mirjam Schambeck Assoziationen zu Signalwörtern (S. 182) und das Füllen gemalter Wasserkrüge mit Mangelsituationen (S. 186). Einen Zugang zur Berufung des Matthäus (Mt 9,9–13) findet sie in Caravaggios Darstellung des Themas (S. 187–192). Den Figuren im Bild können die Teilnehmenden Stimme und Gedanken geben (S. 192).
Spannend ist die Deutung der Areopagrede (Apg 17,16–34) als Schulung des Religionsdialogs. Als Lernarrangement bietet sie Rollenkarten zu Judentum, Christentum, Islam, Agnostizismus und Atheismus, mit deren Hilfe ein Rollenspiel zum Einüben des Dialogs mit Andersdenkenden führen kann (S. 239–248).
Zu allen 20 Texten, von denen viele auch im Bildungsplan 2016 genannt werden, bietet Mirjam Schambeck nicht nur ansprechende Lernarrangements, sondern viel enzyklopädisches Wissen, dessen Lektüre Kolleginnen und Kollegen im Religionsunterricht unkompliziert auf den aktuellen Stand der theologischen Debatte bringt. Die Lektüre ist sehr zu empfehlen.
http://www.gruenewaldverlag.de/biblische-facetten-p-1342.html