Die Angst durchkreuzen

Werbick, Jürgen: Die Angst durchkreuzen : Ermutigung aus dem Glauben. Freiburg 2017. 256 S. ISBN: 978-3-451-37858-4

Jürgen Werbick, emeritierter Professor für Fundamentaltheologie, stellt das Thema Angst in den Mittelpunkt seiner Veröffentlichung. Das Thema ist höchst aktuell und gesellschaftlich äußerst relevant. Und doch ist es ungewöhnlich für eine theologische Monographie. Es gehört zumindest nicht zum klassischen Themenkanon.

Das Ziel der Auseinandersetzung mit der Angst kann nicht sein, sie zu ignorieren oder falschen Versprechungen nachzulaufen, die Erleichterung versprechen. Jürgen Werbick will sich die Angst nicht nehmen lassen, will sich ihr aber auch nicht ausliefern (10). Er ist redlich genug, um keine Eindeutigkeiten und Lösungen zu versprechen (11), möchte aber in unserer als Zeitalter der Angst bezeichneten Zeit Ressourcen und Argumente zusammentragen, die denen die Stirn bieten, die Angst zu ihrer Waffe machen (16).

Jürgen Werbick stellt seinem Buch ein Gedicht von Christine Lavant voran: „Die Angst ist in mir aufgestanden“ (9) und führt damit ins Thema ein. Das erste Ka37858-4_Werbick-Angst.inddpitel „Ein Zeitalter der Angst?“ ist programmatisch zu verstehen. Sowohl die gesellschaftlich aktuellen Angst-Themen werden genannt als auch ein kirchengeschichtlicher Überblick über den christlichen Umgang mit Angst. Daraus folgert er seine Deutung der „Angst als Herausforderung biblisch-christlichen Glaubens, die Glaubende nicht hinter sich haben, der sie sich deshalb in den Bedrängnissen ‚dieser Welt‘ immer wieder zu stellen haben“ (29). Als Vorgehen nennt er die exemplarische Thematisierung von Angst-Motiven in den kommenden Kapiteln und ihr Aufgreifen in Glaubenszeugnissen: Bedrängnis, Apokalypsen, Gewalt und Terror, die Angst vor der eigenen Wertlosigkeit, der Zukunft oder vor Resonanzverlust, Verzweiflung und Glaubens-Angst. „Angst-Motive wie hoffnungsvolle Gegen-Erfahrungen lassen sich erst dadurch als exemplarisch wahrnehmen, dass sie im Erlebens-Zusammenhang heutiger Welt- und Selbsterfahrung gelesen und einigermaßen verstanden werden.“ (31) In der Vorsichtigkeit solcher Formulierungen wird der fundamentaltheologische Anspruch deutlich, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach dem vernünftigen Grund für die Hoffnung in uns fragt (vgl. 1 Petr 3,15). Sehenden Auges soll die Angst durchquert werden (32).

Diesem Anspruch wird Jürgen Werbick auch gerecht, indem er theologische Motive wie das Bittgebet (39–51), den Opferbegriff (83–87; 115–118) oder die Vorstellung eines strafenden Gottes (64–69) nicht als Selbstverständlichkeiten betrachtet, sondern mit aktuellen Hinterfragungen konfrontiert oder dem heutigen Verständnis von Apokalyptik das biblische entgegensetzt (56–59). Er greift auch die Expertise anderer Wissenschaften auf, die außerhalb der Theologie liegen, mit denen die Theologie aber im Gespräch bleiben sollte. So zitiert er psychologische, soziologische und philosophische Theorien und bezieht sie in seine theologischen Überlegungen mit ein.

In verschiedenen Zusammenhängen kommt Werbick auf das Phänomen zu sprechen, dass politische Gruppierungen sich Angst zunutze zu machen zu versuchen, um Menschen manipulieren zu können (37; 46; 52f. u.ö.). Für die Auseinandersetzung mit diesen „Angst-Politiken“ (37) liefert das Buch zahlreiche Argumente. Sie wollen nicht dazu führen, dass sich Religionen als „konkurrierende Anbieter auf dem Markt der Angstbewältigung“ (128) verstehen. „Glauben heißt nicht, die Zukunft vorwegzunehmen und deshalb gelassen ins an sich Bekannte hineingehen zu können. Es heißt – allenfalls –, im Glauben, bei den Gotteszeugnissen der Bibel, der Glaubensgeschichte, der Glaubens-Gegenwart die Quellen des Mutes zu finden, ins Unbekannte hineinzugehen, die Quellen der Überzeugung zu finden, dass es gut ist, sich von diesem Mut leiten zu lassen.“ (132)

Jürgen Werbick fasst seine Gedanken in den Predigten zur Heiligen Woche zusammen, die den Abschluss dieser sehr lohnenden Lektüre bilden.

 

Dr. Sabine Mirbach

Rezension zuerst erschienen in KatBl 5/2018

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