Kaiser, Ursula Ulrike/Lenz, Ulrike/Simon, Evamaria/Steinhäuser, Martin: Gott im Spiel. Handbuch für die Praxis. Godly Play weiterentwickelt. Stuttgart 2018, 296 S.
Gott im Spiel ist die Weiterentwicklung des Godly Play-Konzeptes, das der evangelische Pastor und Montessori-Pädagoge Jerome Berryman (*1937) in den 1970er Jahren für die amerikanische Sonntagsschule entwickelt hat. Dieses Modell soll Kindern zwischen zwei und zwölf Jahren durch die Begegnung mit biblischen Geschichten und Symbolen in einem geschützten Raum die Möglichkeit geben, ihr religiöses Wissen zu erweitern und sich mit existenziellen Lebensfragen auseinanderzusetzen.
Das Handbuch ist in sechs Kapitel untergliedert. Zunächst geht es um die Vorbereitung einer Gott im Spiel-Einheit, vor allem durch die entsprechende Gestaltung des Raumes und der Umgebung. Im zweiten Abschnitt wird die Methode des Erzählens und Präsentierens biblischer Geschichten erläutert. Danach folgen Anmerkungen zum Ergründen und Besprechen dieser Erzählungen in der Gruppe. Das vierte Kapitel ist der Spiel- und Kreativphase gewidmet, der fünfte Teil dem abschließenden Fest. Der Anhang enthält Empfehlungen für Kunstbilder, Lieder und Printmedien, eine Zusammenstellung der bislang publizierten Gott im Spiel-Geschichten (S. 246–254), Entwürfe z.B. für einen Elternbrief oder die Reflexion einer Einheit und Kontaktadressen.
Wichtig war den Autorinnen und Autoren eine durchgehende Verschränkung von Theorie und Praxis: Grundsätzliche Überlegungen werden immer wieder mit konkreten Erfahrungen verknüpft, die das Gott im Spiel-Konzept zwar meist bestätigen, es bisweilen aber auch in Frage stellen. Zudem erleichtern zahlreiche Farbfotos den Zugang und das Verstehen.
Auf die Gestaltung der Räumlichkeit im Sinne einer möglichst optimalen vorbereiteten Umgebung wird, wie stets bei an Maria Montessori (1870–1952) orientierten pädagogisch-didaktischen Konzeptionen, besonders großer Wert gelegt. Bestenfalls soll sogar ein Raum zur Verfügung stehen, der ausschließlich Kindergottesdiensten oder Religionsstunden vorbehalten ist, die gemäß der Methode Gott im Spiel durchgeführt werden. Die idealtypische Anordnung der Regale und Materialien im Raum ist in zwei schematischen Darstellungen wiedergegeben (S. 83, S. 245). Für die Begrüßung der Kinder auf Augenhöhe und ihre Einstimmung mithilfe einer Stilleübung ist viel Zeit eingeplant.
Die Erläuterungen zum Erzählen der biblischen Geschichten (Kapitel 2) sind sehr kleinschrittig und detailliert. Das Erzählen soll bewusst langsam und mit Pausen erfolgen, ohne Suggestion und Dramatisierung, wozu auch beiträgt, dass stets die Vergangenheit als Erzählzeit zu wählen ist und Leerstellen der biblischen Textvorlage nicht gefüllt werden. Zudem wird erwartet, dass die Erzieherin oder Lehrperson nicht nur den vorgeschlagenen, vielfach praxiserprobten Erzähltext im Wortlaut beherrscht, sondern auch jede Bewegung mit den Figuren und Legematerialien exakt so durchführt, wie es im Konzept angegeben ist. Dies gibt zwar Sicherheit, kann aber auch als zu direktiv empfunden werden und die Kreativität der/des Darbietenden beeinträchtigen. Des Weiteren ist ein relativ hoher finanzieller Aufwand nötig, um alle benötigten Gott im Spiel-Figuren und -Utensilien anzuschaffen; Bezugsadressen sind im Anhang des Buches genannt (S. 282 f) . Eingeräumt wird jedoch, dass es auch möglich sei, Spielfiguren selbst herzustellen und den Fundus an Materialien sukzessive aufzubauen. Auf S. 246–250 ist zusammengetragen, welche biblischen Erzählvorlagen bereits in der Buchreihe Gott im Spiel veröffentlicht wurden, wobei zwischen Kerndarbietungen und Vertiefungsgeschichten unterschieden wird. Weiterhin sind die Erzählungen in Glaubensgeschichten aus dem Alten Testament, Glaubensgeschichten zum Neuen Testament, Gleichnisse und Geschichten zum liturgischen Handeln untergliedert. Die Auswahl der biblischen Geschichten entspricht zwar weitgehend derjenigen des Bildungsplanes 2016, doch fehlen im Handbuch für die Praxis entsprechende Altersempfehlungen. Auch würden zusätzliche Textfassungen der Erzählvorschläge in Leichter Sprache einer gelingenden Inklusion zugute kommen.
In der dritten Phase, Ergründen, erfolgt eine Auseinandersetzung mit der zuvor dargebotenen Geschichte im Gespräch. Hierbei soll zunächst stets erfragt werden, was den Kindern das Liebste und das Wichtigste in der Erzählung ist, mit welcher Person sie sich am ehesten identifizieren würden und was unter Umständen auch weggelassen werden könnte. In einer zweiten Phase folgen Ergründungsfragen, anhand derer Schülerinnen und Schüler die dargebotene Geschichte am Erzähltext entlang nachvollziehen und aufbereiten können. Insbesondere die vier Gesprächsimpulse der ersten Phase ermöglichen es den Kindern, die jeweilige Geschichte auf ihre Lebenswelt zu übertragen und ebnen einem Theologisieren von und mit Kindern den Weg. Da die Gesprächsleiterin/der Gesprächsleiter sich mit eigenen Äußerungen jedoch möglichst zurückhalten soll, ist ein Theologisieren für Kinder im Rahmen der Konzeption von Gott im Spiel nur sehr eingeschränkt möglich. Die Kinder sollen, unter der Berücksichtigung der Bildungs-, spirituellen und seelsorgerlichen Dimension, als Subjekte des Glaubens ausdrücklich wertgeschätzt und ernst genommen werden. Allerdings wäre es hierzu sinnvoll, dass die Lehrerin/der Lehrer deren Anmerkungen miteinander in Beziehung setzen und durch wichtige theologisch-exegetische Zusatzinformationen ergänzen kann. Hierfür ist unabdingbar, dass auch Erkenntnisse der historisch-kritischen Bibelforschung beim gemeinsamen Theologisieren ihren Platz finden, was in den deutschen Publikationen von Gott im Spiel zwar eher geschieht als bei den amerikanischen Urhebern der Konzeption des Godly Play, aber trotzdem noch relativ wenig berücksichtigt wird.
Die anschließende Spiel- und Kreativphase ermöglicht Kindern eine eigenständige Auseinandersetzung mit der jeweiligen Geschichte durch Freiarbeit, zu der auch die Sozialform gewählt werden kann. Wichtig ist, dass über Figuren, Legematerialien, Ton, Knet und Malutensilien hinaus, hierfür auch Printmedien wie Kinderbibeln, Kunstbilder und Lexika bereit gestellt werden; hilfreiche Empfehlungen hierzu finden sich im Anhang (S. 273–281). Sinnvoll wäre es, darüber hinaus auch noch Kostüme und Requisiten zur Vertiefung der Geschichten im Rollenspiel zu empfehlen. Dass die Kinder die Ergebnisse dieser Phase im Anschluss einander ausdrücklich nicht vorstellen sollen, befreit zwar von Leistungsdruck und trägt zur Entspannung bei, bringt die Teilnehmenden aber auch um die Möglichkeit, eigene Erkenntnisse mithilfe der Werke und Darbietungen anderer zu erweitern oder infrage zu stellen.
Der gemeinsame Abschluss im Fest, einer Phase, die durch gemeinsames Essen und Trinken, z.B. von Keksen und Tee, Tischgebet und einen abschließenden Segen gekennzeichnet ist, ermöglicht einen stimmungsvollen Ausklang, wäre aber im Rahmen des Religionsunterrichts, anders als beim Kindergottesdienst, nur sporadisch möglich.
Während eine Übernahme des gesamten Konzeptes von Gott im Spiel in den katholischen Religionsunterricht oder den RU in konfessioneller Kooperation aus den oben genannten Gründen eher fragwürdig erscheint, empfiehlt es sich durchaus, einzelne Lernimpulse, Bausteine und Gestaltungselemente daraus zu verwenden, etwa in Ergänzung der Legematerialien des RPA-Verlags Landshut nach Sr. Esther Kaufmann und Franz Kett. Grundsätzlich zu beachten wäre, dass sowohl den Anforderungen einer ganzheitlich sinnorientierten Religionspädagogik als auch der Kompetenzorientierung stets genügend Rechnung getragen und eine theologische Tiefe erreicht wird, die möglichst allen Schülerinnen und Schülern ein angemessenes theologisches Reflexionsniveau ermöglicht.
Josef Gottschlich
Das Handbuch sowie die ebenfalls 2018 erschienenen Publikationen „Jesusgeschichten“ und „Vertiefungsgeschichten zum Alten Testament“ können im Medienportal der Mediathek für Pastoral und Religionspädagogik Freiburg ausgeliehen werden.
Weitere Hinweise und Rezensionen, das Inhaltsverzeichnis und eine Leseprobe zu allen drei Büchern finden sich hier>>>.