Wegweiser für eine gerechtere und menschenwürdige Zukunft

Schlagnitweit, Markus: Einführung in die Katholische Soziallehre. Kompass für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Freiburg 2021, 172 S., ab Kl. 9

Der in sozialpolitscher Erwachsenenbildung erfahrene Autor macht mit diesem Buch deutlich, dass die Katholische Soziallehre als ein normativer Kompass verstanden werden kann, der Orientierung zur Aneignung von Werten und Haltungen ermöglicht. Als offenes moralisches System von Normen sei sie abstrakt genug, um stets aktuell zu sein, gebe aber zugleich vielfältige Anregungen zur konkreten aktiven Mitgestaltung des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens.

Das Buch ist in drei Kapitel untergliedert: Zunächst vermittelt der Autor Grundlagenwissen zum Thema, dann gibt er Einblicke in die zwölf bislang erschienen päpstlichen Rundschreiben zur Katholischen Soziallehre, schließlich erläutert er deren Fundamentalprinzipien und daraus abgeleitete weitere Grundsätze.

Im ersten Kapitel wird ausgeführt, dass die frühe Katholische Soziallehre nur an die persönliche Mitverantwortung appellierte, spätere Dokumenten aber zusätzlich die Notwendigkeit der Verbesserung von Gesellschaftsverhältnissen und Strukturen hervorheben. Auch die Adressatengruppe sei immer größer geworden: Waren die ersten päpstlichen Rundschreiben zur Soziallehre nur an Bischöfe, Priester und Gelehrte gerichtet, weitete sich dieser Kreis später auf die gesamte katholische Christenheit aus; danach wurden Christinnen und Christen aller Konfessionen angesprochen, noch später alle Angehörigen monotheistischer Weltreligionen und schließlich alle Menschen guten Willens.

Weiterhin stellt der Autor heraus, dass die Grundprinzipien der Katholischen Soziallehre zunächst nur aus dem Naturrecht abgeleitet wurden, dann aber deren biblischer Bezug immer stärker betont worden sei, etwa zu den alttestamentlichen Prophetenbüchern. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise betont, dass Recht auf Privateigentum nur insoweit besteht, wie auch anderen ein menschenwürdiges Dasein und der Besitz zumindest von allem Existenznotwendigen ermöglicht und zugestanden wird.

Der Verfasser hebt hervor, dass die Grundsätze der Katholischen Soziallehre auch als Korrektive von gesellschaftspolitischen Fehlentwicklungen aufgefasst werden können:

die Personalität stellt eine Gegenposition zum Sozialismus dar, die Solidarität zum Individualismus, die Subsidiarität zum Staatsdirigismus oder gar zur Gewaltherrschaft, das Gemeinwohl zum neoliberalen Globalisierungs-Kapitalismus und die Nachhaltigkeit zur Ressourcenverschwendung ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse künftiger Generationen.

Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass vier Grundprinzipien der Katholischen Soziallehre selbst als je zwei Gegensatzpaare aufgefasst werden können: So gelte es, zum einen Personalität und Solidarität, zum anderen Subsidiarität und Gemeinwohlorientierung miteinander in ein Gleichgewicht zu bringen.

Im zweiten Kapitel erläutert der Autor zunächst, dass die Entwicklung dieser Soziallehre vor allem deshalb notwendig wurde, weil das feste Gefüge der mittelalterlichen Ständeordnung infolge der Industriellen Revolution zusammengebrochen war.

Im Folgenden werden die zwölf bislang veröffentlichten päpstlichen Sozialenzykliken (von Leo XIII. bis Franziskus) kurz zusammengefasst und kritisch gewürdigt. Dieser Teil überzeugt durch Kompaktheit und gute Verständlichkeit. Unter anderem zeigt der Verfasser auf, dass der Marxismus die katholische Soziallehre zwar beeinflusst hat, diese sich aber auch in entscheidenden Aspekten davon abgrenzt. Auch wird das Bemühen um einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus deutlich, etwa durch die Unterstützung sozialer Marktwirtschaft sowie der Gründung von Berufsgenossenschaften oder Betriebsräten.

Seit den 1960-er Jahren sei die Katholische Soziallehre verstärkt durch friedensethische Inhalte ergänz worden, zunächst zur Entschärfung des Ost-West-Konfrontation, später auch des Nord-Süd-Konflikts.

Im dritten Kapitel werden die einzelnen Grundprinzipien der katholischen Soziallehre erklärt und konkretisiert. Hierbei nimmt der Autor das Bild des Kompasses nochmals auf und erläutert zunächst die vier Haupthimmelsrichtungen Personalität (Menschenwürde), Solidarität (Empathie und gegenseitige Unterstützung), Subsidiarität (Hilfe zur Selbsthilfe) und Gemeinwohl (allseits verwirklichte Gerechtigkeit). Einer Definition folgen dabei stets zentrale und weitere Belegstellen aus kirchlichen Dokumenten, Anmerkungen zum ideen- und zeitgeschichtlichen Kontext sowie aktuelle Bezüge.

Genauso aufgebaut sind die Ausführungen zu drei weiteren Grundsätzen der Katholischen Soziallehre, die der Verfasser als abgeleitete (Sub-) Prinzipien der Soziallehre-Praxis bezeichnet: vorrangige Option für die Armen, Nachhaltigkeit und Dialog, auch mit Angehörigen anderer Religionen und Weltanschauungen. Im Zusammenhang mit dem letztgenannten dieser Subprinzipien betont der Verfasser ausdrücklich, dass ausnahmslos alle zur Teilnahme an diesem Gespräch aufgerufen sind, denen Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung am Herzen liegen.

Das Buch ist allen älteren Jugendlichen und Erwachsenen zu empfehlen, die an einem fundiertes Überblickswissen zur katholischen Soziallehre interessiert sind und sich zugleich konstruktiv-kritisch mit dieser auseinandersetzen wollen.

Josef Gottschlich

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