Engagiertes Plädoyer für Vielfalt, Toleranz und interreligiöse Verständigung

Monika Tworuschka: Das Geheimnis des Zauberpferdes. Eine fantastische Spurensuche. Hohenwarsleben 2021, 100 S.

Der in 24 Kapitel untergliederter Kinderroman wurde für Neun- bis Zwölfjährige verfasst. Zwei syrische Geschwisterpaare, Leila und Adil sowie Firas und Zarah, ebenfalls dieser Altersgruppe zugehörig, sind schon vor einiger Zeit mit ihren Familien aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Recht bald haben die Kinder die neue Sprache gelernt und sich auch sonst schon gut eingewöhnt. Dabei hat sich besonders der Sport als hilfreich erwiesen; in der Erzählung geht es vor allem um Fußball und Voltigieren.

Die Autorin bedient sich dreier Erzählebenen: Zum einen werden die Erlebnisse der beiden Geschwisterpaare in Familie, Schule und Freizeit vermittelt, zum anderen Leilas Träume, die sie auf dem Rücken einer fliegenden schwarzen Stute ihr Heimatland Syrien und zu dort verbliebenen Verwandten tragen, schließlich Tagebucheinträge von Leilas Tante Naima, deren Ehemann Abdallah in Syrien wegen seines Einsatzes für Freiheit und Demokratie festgenommen wurde. Deswegen entscheiden sich Naima und ihre Mutter ebenfalls zur Flucht über Libanon nach Deutschland; auch Abdallah kann schließlich entkommen und beantragt in Griechenland politisches Asyl.

Hier haben die Leserinnen und Leser einen Wissensvorsprung vor den beiden Geschwisterpaaren, die diese Tagebucheinträge (noch) nicht kennen. Von der Ungewissheit über den Ausgang der Flucht ihrer Verwandten lebt bis zum in dieser Hinsicht offenen Schluss hauptsächlich die Spannung des Romans. Gezeigt wird aber auch, dass das Leben der Kinder in Deutschland keinesfalls nur harmonisch verläuft: Erzählt wird von recht beengten Wohnverhältnissen, Eifersüchteleien beim Sport und auch von manchen Vorbehalten der Mitschüler*innen. Doch je mehr die Geschwisterpaare über die Flucht der Verwandten, auch durch Unterstützung von Hilfsorganisationen, herausfinden und erzählen, desto größer werden Verständnis und Anteilnahme in ihrem Bekanntenkreis.

Der lebendig erzählte Roman vermittelt in adressatengemäßer Weise Informationen über die Situation von Geflüchteten aus einem Kriegsgebiet und weckt Verständnis und Mitgefühl für ihre Nöte und Ängste – zeigt aber auch deren Widerstandskraft und eine, wenn auch fragile, Hoffnung.

Monika Tworuschka: Gefährliche Freunde. Hohenwarsleben 2021, 172 S.

Dieser Kriminalroman für Elf- bis Vierzehnjährige knüpft zwar an die Handlung von „Das Geheimnis des Zauberpferdes“ an, doch ist die Lektüre des ersten Romans zum Verständnis des zweiten nicht unbedingt erforderlich. Alle Protagonisten sind inzwischen zwei bis drei Jahre älter geworden. Während der erste Roman hauptsächlich Ursachen und Gefahren von Flucht thematisierte, geht es jetzt vor allem um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: Eine juden-, muslim- und ausländerverachtende Vereinigung hat in der Gegend Fuß gefasst, wo die Protagonisten leben. Die Taktik, mit welcher deren Anführer unter Jugendlichen neue Mitglieder zu gewinnen suchen, wird wirklichkeitsnah und beklemmend nachgezeichnet: Umworben werden vor allem junge Menschen aus instabilen Familien und mit nur wenig Sozialkontakten. Versprochen wird ihnen unter anderem mitreißende Musik, spannende Abenteuer und eine eingeschworene Gemeinschaft mit festem Zusammenhalt. Dies alles dient aber nur als Lockmittel, um sie zu rechtsradikaler Gesinnung zu verführen und letztlich auch zur Teilnahme an entsprechenden Aktionen zu motivieren, im Buch zur Schändung eines jüdischen Friedhofs und zur Beleidigung von Muslimen. Zwei Jungs, besonders Jan, dessen Vater arbeitslos und wegen der angeblichen Bevorzugung von Geflüchteten wütend ist, lassen sich darauf ein und drängen schließlich die beiden muslimischen Mitschüler Adil und Firas zu einer lebensgefährlichen Mutprobe in einer Höhle. Ihre Rettung am Ende des Romans ist atemberaubend spannend erzählt und führt nicht nur zum Gesinnungswandel der beiden gleichaltrigen Anstifter, sondern auch zur Festnahme eines rechtsextremen Hintermannes und Waffenhändlers, dem einige Jugendliche aus der Klasse schon länger auf der Spur sind. Ebenfalls eine wichtige Rolle im Roman spielt ihr jüdischer Mitschüler David. Nicht nur einige seiner deutschen, sondern auch viele muslimische Altersgenossen machen ihm das Leben schwer, doch das gemeinsame Fußballspielen und sein mutiges Mitwirken an der erfolgreichen Rettungsaktion verbessern seine Situation deutlich.

Ohne zu moralisieren, ermutigt die Autorin, indem einige junge Akteur*innen, etwa Sebastian, erfreulich viel Zivilcourage für Bedrängte und Benachteiligte an den Tag legen. Dabei wird jedoch keinesfalls verschwiegen oder verharmlost, dass hierbei beträchtliche innere und äußere Widerstände zu überwinden sind.

Monika Tworuschka: Angst am Drachenfels. Hohenwarsleben 2022, 200 S.

Der letzte Teil der Trilogie (für Elf- bis 14-Jährige) spielt in Köln, auf einem Rheindampfer und in der Burg Drachenfels. Die beiden syrischen Geschwisterpaare unternehmen mit einigen befreundeten Jugendlichen einen Wochenendausflug in die rheinische Metropole. Dabei fällt ihnen ein merkwürdiger Mann auf, der einen Koffer in der Nähe des Doms abstellt und diesen nach Aufforderung von Passanten nur widerwillig wieder an sich nimmt. Adil lernt Rashid kennen, der ihn zu einer Versammlung radikaler Muslime mit antidemokratisch-antimodernistischer Gesinnung einlädt. Da Adil aufgrund seiner Herkunft bisweilen immer noch ungerecht behandelt wird, kann er deren Kritik an westlichen Gesellschaften teilweise nachvollziehen. Doch klärt ihn die Polizei rechtzeitig über die Gefährlichkeit dieser als verfassungsfeindlich eingestuften Gruppierung auf. Indes entdecken zwei der Freunde ein geheimnisvolles Notizbuch mit Hinweisen auf einen islamistischen Selbstmordanschlag, den Rashid auf einem Ausflugsdampfer ausführen soll. Mithilfe eines Korankenners, der diese geheimen Botschaften entschlüsselt und einer verdeckt ermittelnden Polizistin aus einer türkischen Herkunftsfamilie wird dieses Bombenattentat in letzter Minute vereitelt. Nebenher erfahren die Leserinnen und Leser auch vieles über liberale Strömungen im Islam, welche, ebenfalls auf der Grundlage des Korans, unermüdlich für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte eintreten.

Als Ganzschrift für den Religionsunterricht empfiehlt sich am ehesten Band 2. Ansonsten ist das Nacherzählen der Romane oder die Auswahl einzelner Kapitel sinnvoll. Zu empfehlen ist weiterhin, diese drei Bücher in Leselisten für die jeweiligen Klassenstufen aufzunehmen.

„Meine Kinderkrimis über die Weltreligionen sollen nicht nur ‚pädagogische Vehikel‘ für religiöse Inhalte sein. Wichtig ist mir, spannende Geschichten zu schreiben, die ihre besondere Attraktivität und Faszination durch eine für jede Weltreligionstradition typische Atmosphäre erhalten“, schreibt Monika Tworuschka auf ihrer Homepage.

Diesem Anspruch wird sie mit ihrer vor allem von packenden, zum Teil auch kontroversen Dialogen geprägten Romantrilogie gut gerecht.

Josef Gottschlich

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