Helmut Gaisbauer: Ein Brief für die Welt. Die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus für Kinder erklärt. Innsbruck 2016, 104 S.
Das zentrale Thema der Publikation, in welcher Hubert Gaisbauer Kindern ab acht Jahren wichtige Inhalte des päpstlichen Rundschreibens „Laudato si“ erklärt, ist die Bewahrung der Schöpfung.
Hierzu nimmt der Autor zunächst die Anfrage eines Mädchens namens Caro auf, weshalb Papst Franziskus keine Rundschreiben für Kinder verfasse, gerade im Hinblick auf das für eine menschenwürdige Zukunft so entscheidende Thema Ökologie (S. 8 f.). Um diesem Wunsch nachzukommen, hat Hubert Gaisbauer in seinem Buch für Kinder gut verständliche Aussagen aus der am 24. Mai 2015 veröffentlichten Enzyklika „Laudato si“ zusammengestellt, kommentiert und mit Hilfe von Geschehnissen oder Beispielen konkretisiert. So entstanden 22 Kapitel im Umfang von je zwei bis drei Seiten, unterbrochen durch Informationstexte (Wer – Was – Wann) über päpstliche Rundschreiben, Franz von Assisi, Schöpfung, Papst Franziskus und den Sonnengesang. Die einzelnen Kapitel erschließen sich auch dann, wenn man beim Lesen eine andere Reihenfolge wählt; jeder Abschnitt des Buches steht gewissermaßen auch für sich selbst. Somit ist es sehr gut möglich, einzelne Kapitel für den Religionsunterricht herauszugreifen.
Da Hubert Gaisbauer sich beim Schreiben immer direkt an Caro wendet, dürften sich auch andere Kinder eher von seinem Buch persönlich angesprochen fühlen als von einem reinen Sachtext. Der Autor appelliert zwar an die Mitverantwortung auch von Kindern zur Bewahrung der Schöpfung, bleibt dabei aber stets maßvoll. Obwohl er akute globale Probleme wie ungerechte Ressourcenverteilung (z.B. S. 12) und das drohende Aussterben von Tieren (z.B. S. 33–35) nicht beschönigt, nimmt er den Kindern damit keinesfalls die Hoffnung auf eine leistbare und rechtzeitige Bewältigung dieser Herausforderungen.
Die Freude und Dankbarkeit über die Schönheit und Vielfalt der Schöpfung (S. 13 f.) stehen in der Publikation jedoch zurecht an erster Stelle, gepaart mit der Ermutigung zu einer staunenden Naturbetrachtung und ihrer aufmerksamen Wahrnehmung mit allen Sinnen (z.B. des Wassers, S. 68). So könne man in der Natur lesen wie in einem Buch (S. 22 f.) und bei genauem Hinhören auch verstehen, was sie einem mitteilen wolle.
Durchgehend hebt der Autor die Wichtigkeit eines liebevoll-behutsamen Umgangs mit Tieren und Pflanzen hervor, wobei er immer wieder das Beispiel des heiligen Franz von Assisi in Erinnerung ruft (z.B. S. 19, S. 74). In diesem Zusammenhang lässt Gaisbauer nicht unerwähnt, dass er in der päpstlichen Enzyklika die strikte Ablehnung von Massentierhaltung vermisse (S. 36–39), gerade weil Tierversuche in dem Rundschreiben ausdrücklich kritisch beurteilt und z.B. für rein kosmetische Zwecke als ethisch nicht verantwortbar missbilligt werden (S. 39).
Durchgehend wahrt Hubert Gaisbauer den Lebensweltbezug: Immer weist er, ausgehend von Worten des Papstes, Kinder darauf hin, was diese tagtäglich ganz konkret tun können: weniger Fleisch essen (S. 36), bei örtlichen Tierschutzvereinen mitwirken (S. 42), die eigene Kleidung verantwortungsbewusst kaufen (S. 51), das Wegwerfen von Nahrungsmitteln vermeiden (S. 64), auf einen sparsamen Wasserverbrauch achten (S. 68) und nicht mehr intakte Geräte reparieren zu lassen anstatt wegzuwerfen (S. 85 f.).
Dies dürfte für viele Kinder nichts Neues sein, sehr wohl aber die Einbettung all dieser Notwendigkeiten in einen religiösen Zusammenhang. Auch Zwischenmenschliches bleibt keinesfalls unerwähnt, etwa mitfühlendes Verständnis für Geflüchtete (S. 46 f.) oder unverschuldet arbeitslose Jugendliche (S. 58) und ein liebevoller, von gegenseitiger Hilfsbereitschaft geprägter Umgang mit anderen Familienmitgliedern (S. 84).
Eine der größten Stärken des Buches besteht darin, dass der Autor es versteht zu informieren, indem er erzählt: von seiner Liebe zu Hirschkäfern in seiner eigenen Kindheit (S. 33), der Rettung von zwei Lämmern durch Franz von Assisi (S. 36 f.), von den Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohner einer durch Überflutung bedrohten Südseeinsel (S. 54 f.) oder von haitianischen Mädchen und Jungen, die Kuchen aus Schlamm, Salz und Margarine backen und verkaufen (S. 63). So können sich Kinder ab der zweiten oder dritten Klassenstufe gut auf Gaisbauers Texte einlassen, ohne beim Lesen das Interesse zu verlieren oder zu ermüden. Einzig die Schrift könnte etwas größer sein. Sehr gut wird die Botschaft des Buches auch von den bemerkenswert schönen Illustrationen von Leonora Leitl unterstützt, besonders durch ihre detailgetreue und farbenfrohe Darstellung von Pflanzen und Tieren (z.B. S. 23, 40 und 67).
Die Informationstexte Wer – Was – Wann? sind für eher ältere Kinder geschrieben, die Genaueres über Franz von Assisi und Papst Franziskus erfahren möchten. Hierbei wird auch offensichtlich, dass gerade der einfache Lebensstil des Heiligen, seine Dankbarkeit für die Schöpfung und seine unermüdliche Hinwendung zu den Armen den jetzigen Papst entscheidend dazu bewogen haben, sich nach ihm zu benennen.
In diesem Zusammenhang macht der Autor deutlich: Gerade für die Bewahrung der Schöpfung brauchen Kinder tatkräftige und glaubwürdige Vorbilder, welche teilweise selbst noch jung sind, wie die inzwischen 16-jährige Olivia Bouler aus Kanada, die sich seit der Ölpest im Golf von Mexiko 2010 engagiert für den Vogelschutz einsetzt (S. 41 f.). Gleichzeitig bedarf es aber auch einer vertrauensvollen Gelassenheit. Beides wird abschließend durch Zitate aus dem Gebet betont, mit welchem Papst Franziskus sein Rundschreiben beschließt (S. 101).
Der Versuch einer Elementarisierung des päpstlichen Rundschreibens „Laudato si“ auf die Lebenswelt der Kinder kann abschließend als durchweg gelungen gelten. Allerdings wird die Notwendigkeit auch struktureller Veränderungen nur andeutungsweise vermittelt, was sicherlich aber auch dem Alter von Dritt- und Viertklässlern geschuldet ist.
Es wäre ein bedenkens- und lohnenswertes Unterfangen, Ähnliches auch bei künftigen päpstlichen Rundschreiben zu erproben, etwa zu den Themen Familie, Gerechtigkeit oder Frieden.
Josef Gottschlich
Das Buch ist in der Mediathek Freiburg und vielen der 16 Religionspädagogischen Medienstellen des Erzbistums entleihbar.
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